Qualität sichern und schwarze Schafe eliminieren

Veröffentlicht am 27.06.2005 in Veranstaltungen

Podiumsgespräch „10 Jahre Pflegeversicherung“ im Haus Edelberg: eine Bilanz
Eine durchaus positive Bilanz lässt sich 10 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung nach Einschätzung von AOK und ambulantem Pflegedienst ziehen. Ausbesserungen im Bereich der dementen Erkrankungen sollten allerdings noch vorgenommen werden. Darin waren sich die Teilnehmer bei dem vom SPD-Ortsverband Neulußheim organisierten Podiumsgespräch am Dienstagabend im Senioren-Zentrum Haus Edelberg einig. Es diskutierten die SPD-Landtagsabgeordnete Katrin Altpeter, der AOK-Geschäftsführer für den Rhein-Neckar-Raum Bruno Krüger, Manuela Offenloch vom Ambulanten Pflegedienst Hockenheim sowie die Heimleiterin des Seniorenzentrums Manuela Giordano. Die Diskussion leitete Gottfried Knapp vom SPD-Vorstand Ortsverein Neulußheim.

Die äußeren Eckdaten setzte Bruno Krüger in folgenden Rahmen: Von den 81 Millionen in Deutschland lebenden Menschen sind nur zehn Millionen privat krankenversichert, die Mehrzahl jedoch gesetzlich. Zwei Millionen 80.000 Menschen sind der Pflege bedürftig, davon werden 1,44 Millionen zu Hause versorgt und 640.000 in Heimen. Seit drei Jahren decken die Einnahmen nicht mehr die Ausgaben: „Wir greifen in die Reserven“, sagte Krüger. „Die Pflegeversicherung gerät wieder ins Fahrwasser, ist heftig umstritten.“ Die Nervosität wächst angesichts der Tatsache, dass die Reserven in Höhe von acht Millionen nächstes Jahr verbraucht sind, so Krüger. Auch sei der Grad der Zufriedenheit bei denen, die die Leistungen in Anspruch nehmen, nicht sehr hoch.

Manuela Giordano, Heimleiterin des am 1. Juli 2004 in Betrieb genommenen Senioren-Zentrums „Haus Edelberg“ rechnete vor, wie schwierig es ist, mit den kalkulierten 90 Minuten pro Bewohner in 24 Stunden zu „wirtschaften“: waschen, zur Toilette begleiten, Zahnprothese reinigen, Windeln wechseln, Medikamente geben. „Da bleibt keine Zeit für Kommunikation mehr übrig.“ Die Beschäftigung mit dem Menschen werde durch hausinterne und externe Beschäftigungen, regelmäßige Gesprächsrunden mit einem Psychologen, gestalterische Aktivitäten und Gottesdienste abgefangen.

„Trotzdem steht der Mensch im Vordergrund“, kritisierte ein Mann aus dem Publikum ein. „Es kann doch nicht sein, dass alles am Geld liegt!“ Manuela Offenloch wandte jedoch ein: „Dem Heim sind komplett die Hände gebunden.“

Kritisiert wurde auch, dass praktisch die gesamte Rente für die Pflege draufgehe. Tatsächlich werden bei Pflegestufe 1 für stationäre Pflege 1023 Euro monatlich angesetzt, bei ambulanter Pflege nur 384 Euro, wobei Miete und Essen noch hinzu kommen. Dies wurde als „ungerecht“ empfunden. Als boomenden Schwarzmarkt bewertete der AOK-Geschäftsführer die rund 10.000 Osteuropäer, die im Bundesgebiet als Haushaltshilfen arbeiten, häufig auch im Pflegebereich eingesetzt würden. Da erhalten sie zwischen 600 und 1500 Euro im Monat. Im Vergleich dazu verdient eine Fachkrankenschwester in Polen nur 230 Euro im Monat.

Für AOK-Geschäftsführer Bruno Krüger ist das Bild von der alten Generationentreue sowieso zerstört. Die Gesellschaft müsse kreativer werden, denn rein über Geld lasse sich nicht alles regeln. Der Stärkere müsse dem Schwächeren helfen, wie dies auch in südlichen Ländern der Fall sei, wandte jemand aus dem Publikum ein.

Alles dürfe den Angehörigen jedoch auch nicht aufgebrummt werden, so Krüger, etwa das eigene Haus mit einer Hypothek zu belasten, um den alten Vater oder die alte Mutter in einem Heim unterzubringen. Wenn es aber mehrere Häuser gebe, dann sei dies wieder denkbar.

Als Finanzierungsmöglichkeiten für die Pflegeversicherung bieten sich laut MdL Katrin Altpeter Kapitalerträge , Steuern und Beiträge an. „Die Beiträge zu erhöhen, können Sie komplett vergessen“, so Krüger. Darin seien sich alle Parteien einig. Die Möglichkeit über höhere Steuern werde diskutiert, doch der Bedarf liege bei 28 Milliarden Euro.

Als besonders lobenswert stellte Manuela Offenloch das in die Pflegeversicherung eingebrachte Qualitätssicherungsgesetz heraus. Auch Manuela Giordano wusste ein Liedchen von unangekündigten Heimaufsichten, die Qualitätsstandards prüfen, zu singen. Offenloch gab zu Bedenken, dass die Qualität der Heimunterbringung für den einzelnen Kunden sehr wichtig sei. Auch dass die AOK mittlerweile über einen Hilfsmittelbetreuer verfüge, wurde als positiver Impuls gewertet.

Offenloch sieht einen hohen Beratungsbedarf bei den Angehörigen, die ihre Eltern daheim pflegen. Das fange beim Badelifter an und höre bei Umbaumaßnahmen, die die AOK bis zu einer Höhe von 2500 Euro übernimmt, auf. Wichtig dabei: „Alles muss vorher beantragt werden.“ Auch müssten Angehörige bei manchen Krankheitsbildern besser aufgeklärt werden: Bei einem Schlaganfall heiße es im Krankenhaus meist zuerst: „Der kann nie mehr Heim.“ Nach dem Krankenhausaufenthalt und drei Wochen Reha-Maßnahme sowie vier Wochen Kurzzeitpflege sehe die Welt meist schon wieder ganz anders aus.

Der AOK kreidete Manuela Offenloch an, dass immer noch der Hausarzt Rezepte auf Hilfsmittel wie Inkontinenzmaterial ausstellen müsse, obgleich jemand vom ambulanten Pflegedienst vor Ort sei und die Lage besser einschätzen könne. Insgesamt lobte sie das Pflegegesetz, bemängelte aber, dass die Demenz-Erkrankungen zu wenig im Pflegegutachten berücksichtigt seien. „Es gibt da ein Riesendefizit“. Auch MdL Katrin Altpeter konnte dies nur bestätigen. Für die SPD-Landtagsabgeordnete geht es in Zukunft darum, Beruf, Familie und Pflege unter einen Hut zu bringen.

Bruno Krüger, für den die Pflegeversicherung als vierte Säule der Sozialversicherung im europäischen Vergleich durchaus gut abschneidet, betonte gegen Ende der Gesprächsrunde, dass dahinter 250.000 Arbeitsplätze stecken. Er bat um Hinweise, falls jemand Missstände in seiner Umgebung feststelle. „Wir wollen die Qualität sichern und die schwarzen Schafe eliminieren.“

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