v.l.n.r.: Peter Kohm, Bärbel Morsch, Stefan Rebmann

Ab wann ist man arm?

Zu diesem brisanten Thema lud der SPD Kreisverband Rhein-Neckar und der SPD Ortsverein Neulußheim am Donnerstag den 06. November 2008 um 19.30 Uhr zur Podiumsdiskussion in Neulußheim ein.
60 Interessierte fanden den Weg ins Evangelische Gemeindehaus und wurden nicht enttäuscht. Fachkundige Redner wurden zu dieser Veranstaltung gewonnen, die aus Ihrem Beruf heraus den Alltag der von Armut Betroffenen schilderten.

Der Ortsvereinsvorsitzende Jörg Wildenstein eröffnete

die Diskussion und erinnerte in seiner Begrüßungsrede an den ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, der bereits vor über 20 Jahren die Bekämpfung der Armut als dringliches Ziel aller Parteien forderte. Das dies mehr denn je gilt, wurde schnell deutlich.

Stefan Rebmann, der Vorsitzende des DGB Rhein-Neckar, rüttelte mit aktuellen Zahlen auf:
Mehr als 8,3 Mio. Menschen in Deutschland erhalten unterstützende Leistungen, die sogenannten Transferleistungen. Damit liegt Deutschland inzwischen deutlich über dem Durchschnitt der OECD-Quote.
6,5 Mio arbeiten inzwischen unterhalb des Tariflohns und allein in der Metropolregion Rhein-Neckar sind 39 % aller Hartz 4-Empfänger sogenannte Aufstocker, also Personen, die einer Arbeit nachgehen, deren Verdienst jedoch nicht ausreicht und daher ergänzend staatliche Zuschüsse von ihnen in Anspruch genommen werden müssen.

Bärbel Mosch , aus der Geschäftsführung des Diakonischen Werks Rhein-Neckar, berichtete ebenfalls aus ihrem Arbeitsalltag und stellte fest, dass die Armut merklich steigt. Sie nannte als Gründe hierfür die Umstellung von Sozialhilfe auf Hartz 4 sowie die allgemeinen Preissteigerungen. Auch die Unterkunftskosten lägen inzwischen vielfach über den gesetzlichen Höchstsätzen, was für die Betroffenen erhebliche Probleme mit sich bringt.
Peter Kohm, stellvertretender Geschäftsführer Caritas Rhein-Neckar stellte fest, dass die Armut inzwischen deutlich gestiegen ist und erläuterte dann, was Armut bedeutet: Arm an Möglichkeiten, Arm an Geld, fehlende Teilnahme am öffentlichen Leben sowie Sozialgesetze, die schwer zu durchschauen und deren Inanspruchnahme durch einen dichten Paragraphendschungel die Bedürftigen oft überfordert. Migrationhintergrund, strukturelle Arbeitslosigkeit, - viele Gründe gibt es für die Armut, die im Grunde jeden treffen kann.

Als Folge ist der fast aussichtslose Kampf mit dem Gesetzeswirrwarr, der Bearbeitungsdauer, den mangelnden Perspektiven und auch mit der Überschuldung fast zwangsläufig. Fast 3 Mio überschuldete Haushalte sind das nächste Pulverfass für den sozialen Abstieg in die Armut.

Es entwickelte sich eine breite Diskussion, bei der schnell allen Anwesenden klar wurde, wie wichtig das Thema ist und wie schnell man in die Armut abgleiten kann. Als Ausblick wurde von den Podiumsteilnehmern gefordert, dass es eine der wichtigsten Aufgabe der Politik ist, diese Zustände zu ändern und darüber hinaus für Vereinfachungen bei der Umsetzung der Gesetze, für einen Mindest-lohn, für höhere Regelsätze sowie für weitere kleine aber spürbare zusätzliche Unterstützungen wie z.B. ein Sozialticket Rhein-Neckar und damit für etwas Erleichterung bei den Betroffenen zu sorgen.

Die Bekämpfung der Armut muss das große Ziel der nahen Zukunft für alle Parteien sein, und nach dem Ende der Veranstaltung verließen viele Besucher nachdenklich die aufschlussreiche Veranstaltung.